Wohnungslosigkeit

Chancen für Mieter und Vermieter

Mit der richtigen Unterstützung und einer offenen Einstellung können private Vermieter einen wertvollen Beitrag zur Überwindung der Wohnungslosigkeit leisten. Welche Vorteile das für Vermieter hat, erklärt Sabine Bösing, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. im Interview.

Das Interview führte Astrid Zehbe; Referentin Presse & Kommunikation

Welche Rolle spielen private Vermieter in der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit?

Private Vermieter bieten dezentrale Wohnmöglichkeiten und ermöglichen damit im Gegensatz zu kommunalen Wohnungsgesellschaften, die häufiger große Wohnblöcke betreiben, eine bessere Integration in die Wohnquartiere. Dies fördert die Einbeziehung in die Gemeinschaft und trägt oft zu einer stabileren Wohnsituation bei. Private Vermieter bieten Flexibilität und Diversität im Wohnungsmarkt, was besonders wichtig ist, um den unterschiedlichen Bedürfnissen wohnungsloser Menschen gerecht zu werden.

Welche Chancen bieten sich privaten Vermietern, wenn sie an wohnungslose Personen vermieten?

Die Möglichkeit einer langfristigen und kontinuierlichen Vermietung sehen viele sicherlich als einer der größten Vorteile, denn viele private Vermieter wünschen sich stabile und zuverlässige Mieter. Und genau das können wohnungslose Menschen bieten, besonders wenn sie durch soziale Träger begleitet werden. Die Mietzahlungen sind durch staatliche Stellen wie Jobcenter oder Sozialbehörden gesichert. Das bedeutet, dass die Miete pünktlich und zuverlässig gezahlt wird. Sollte es dennoch zu Zahlungsproblemen kommen, gibt es Ansprechpartner bei den sozialen Trägern, die sich um eine schnelle Klärung bemühen. Darüber hinaus bieten viele Kommunen zusätzliche Sicherheiten, wie Mietgarantien, Prämien oder lokale Programme zur Unterstützung für Vermieter. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Menschen, die aus der Wohnungslosigkeit kommen und entsprechende Unterstützung erfahren, ihre Wohnsituation stabilisieren können und sehr dankbar sind, wieder in eigenem Wohnraum zu leben.

Welche Unterstützung können Vermieter von den sozialen Trägern erhalten?

Es gibt verschiedene Angebote, um sicherzustellen, dass die Vermietung erfolgreich verläuft. Dies umfasst beispielsweise regelmäßige Besuche bei den Mietern, Unterstützung bei der Einhaltung der Mietverpflichtungen und Hilfe bei der Bewältigung von Alltagsproblemen. Wenn Probleme auftreten, können Vermieter sich jederzeit an die sozialen Träger wenden, die dann gemeinsam mit den Mietern nach Lösungen suchen. Diese Unterstützung trägt dazu bei, das Vertrauen der Vermieter zu stärken und eine langfristige Zusammenarbeit zu fördern, wie auch zahlreiche Erfahrungen zeigen.

Können Sie uns Beispiele nennen, wie diese Zusammenarbeit in der Praxis aussieht?

Ein gutes Beispiel findet sich in Karlsruhe. Hier gibt es bereits seit 2004 das Programm „Wohnraumakquise durch Kooperation“. Vermittelt werden oftmals länger leer stehende Wohnungen in Privatbesitz. Der Vermieter schließt zunächst einen Vertrag mit der Stadt und erhält bei Bedarf einen Sanierungszuschuss sowie eine befristete Mietausfallgarantie. Hier wird eng mit privaten Vermietern zusammengearbeitet, die bereit sind, ihre Wohnungen an wohnungslose Menschen zu vermieten. Mitarbeitende eines sozialen Trägers unterstützen die Menschen bei der Integration in den Wohnraum. Mehr als 2.000 wohnungslose Menschen konnten seitdem erfolgreich in Wohnraum vermittelt werden.

Welche potenziellen Schwierigkeiten bestehen dabei?

Ein häufiger Vorbehalt ist die Sorge, dass wohnungslose Menschen problematisch sein könnten, weil sie ihre Wohnung verloren haben. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass Menschen, die durch soziale Träger unterstützt werden, ihren Alltag und ihre Wohnsituation gut gestalten können. Dennoch können Unsicherheiten aufkommen und es ist wichtig, dass Vermieter sich bei Fragen frühzeitig an die Mieter und sozialen Träger wenden. Dann können zeitnah gute Lösungen gefunden werden. Es schafft Sicherheit, sich im Vorfeld gut zu informieren. Dafür finden Vermieter bei sozialen Trägern der Wohnungsnotfallhilfen kompetente Ansprechpartner.

Wenn ein Vermieter Interesse hat, an wohnungslose Personen zu vermieten, wie sollte er vorgehen?

Vermieter können sich an das Sozialamt, das Wohnungsamt oder an soziale Träger der Wohnungsnotfallhilfe vor Ort wenden. Es gibt zahlreiche Initiativen, die gezielt private Vermieter suchen. Auch unser „Wo+Wie“-Portal bietet eine Plattform, um entsprechende Ansprechpartner zu finden. Es ist wichtig, dass Vermieter offen für Gespräche sind und sich über die Unterstützungsmöglichkeiten informieren, die ihnen zur Verfügung stehen. Oftmals gibt es auch Informationsveranstaltungen und Netzwerktreffen, bei denen sich Vermieter mit anderen austauschen und von deren Erfahrungen profitieren können.

Was können Vermieter proaktiv tun, um ein gutes Mietverhältnis zu gewährleisten?

Vermieter sollten Signale der Offenheit und Unterstützung senden, ohne dabei aufdringlich zu sein – aber das gilt ohnehin ja für jede Vermietungssituation. Es ist wichtig, dass sie den neuen Mietern das Gefühl geben, willkommen zu sein, und Ansprechpartner für Fragen und Anliegen bieten. Gleichzeitig sollten sie realistisch bleiben und die Bedürfnisse und Grenzen der Mieter respektieren. Eine gute Kommunikation und eine klare Vereinbarung der Verantwortlichkeiten sind hier entscheidend. Im Fokus sollte weniger die maximale Rendite stehen, sondern vielmehr stabile und harmonische Mietverhältnisse. Ein sozialer Vermieter versteht, dass es nicht nur um finanzielle Aspekte geht, sondern auch um die Möglichkeit, positiv zur Gesellschaft beizutragen.

Welche Chancen sehen Sie denn für unsere Gesellschaft?

Langfristig profitieren alle Beteiligten von einer solchen Vermietung. Wohnungslose Menschen erhalten eine stabile Wohnsituation und die Chance, wieder an der Gesellschaft teilhaben zu können. Private Vermieter haben die Möglichkeit, langfristige und stabile Mietverhältnisse zu schaffen und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Lösung eines gesellschaftlichen Problems zu leisten. Für die Gesellschaft insgesamt bedeutet dies eine Reduzierung der Wohnungslosigkeit, eine bessere Integration von benachteiligten Menschen und letztlich eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts.